„Verstehen öffnet neue Räume.“

Vera von Dietlein 683x1024 - Vera von Dietlein

Studentin im Weiterbildungsstudium Master of Mediation, Diplom-Volkswirtin, Heilpraktikerin, Kundalini Yogalehrerin

Warum hast Du das Studium in Mediation aufgenommen?

In einer Zeit geballter Streitigkeiten habe ich mir überlegt, ob man nicht anders mit Konflikten umgehen könnte, als das dass alles einfach nur schrecklich belastend ist.

Hast Du seit Beginn des Studiums keine Konflikte mehr?

Doch, natürlich. Ich betrachte Konflikte jetzt aber mehr als Chance zu positiver Veränderung.

Bist Du immer ruhig und überlegt in Konflikten?

Wenn Sie mich direkt betreffen? Nein, ganz und gar nicht. Aber dann bin ich auch nicht in der neutralen Position. Da kann ich mich durchaus auch selbst vergessen, überfordert sein und auch austeilen. Rückblickend weiß ich, dass ich früher eine eher geringe eigene Konfliktfähigkeit hatte. Das hat aber den Vorteil, dass ich verstehe, wenn andere auch nicht gut mit Konflikten umgehen können und heftig reagieren. Wer eine Mediation mit mir wünscht, dem brauchen seine Reaktionen im Streit nicht peinlich sein. Ich kann ich nachvollziehen, welche Überwindung und letztlich Leistung es bedeutet, sich überhaupt auf einen Vermittlungsprozess einzulassen.

Kannst Du denn in Deinen eigenen Konflikten nicht mediieren?

Wenn ich Teil des Konfliktsystems bin, nicht. Aber durch die erlernte mediative Haltung achte ich auch selbst mehr darauf, Konflikte nicht eskalieren zu lassen, versuche mir meine Reaktionen bewusster zu machen und erst einmal tief durchzuatmen, bevor ich reagiere. Ich weiß, wie wichtig es ist, die Bedürfnisse der oder des anderen miteinzubeziehen.

Was bedeutet Mediation für Dich?

Durch eine konsequent neutrale und respektvolle Haltung und im Vertrauen auf den Prozess der Mediation Streitenden dabei zu dienen, Licht in die tiefer liegenden Gründe ihrer Differenzen zu bringen und zu erhellen, worum es ihnen im Konflikt geht. Es ist schön, wenn sie bei allseitiger Bereitschaft eine Lösung finden, die das Leben leichter macht. Es ist aber auch genauso viel wert, wenn sie feststellen, dass dies nicht möglich, jetzt aber wissen, warum. Klarheit kann gut tun. Verstehen eröffnet neue Räume.

Hast Du einen Schwerpunkt in der Mediation?

Das eigentlich. Grundsätzlich bin ich offen für jede Art von Mediation, außer für Großgruppen. Eine Anwaltsmediation kann ich als Nichtjuristin natürlich auch nicht anbieten. Ich habe aber ein Spezialgebiet, von dem ich hoffe, dass es auch in der Öffentlichkeit zunehmend wahrgenommen wird: Mediation und Gesundheit. Das betrifft vor allem Konflikte im persönlichen Umfeld Erkrankter. Es liegt mir am Herzen, Menschen mit chronischen Erkrankungen und ihren Angehörigen Hilfestellungen zu bieten.

Wo kann Mediation in diesem Feld hilfreich sein?

Eine chronische Erkrankung bedeutet für viele Menschen emotionalen Stress, und zwar nicht nur persönlich. Sie bringt je nach Schweregrad auch eine mehr oder minder starke Belastung in Familie, Schule, Ausbildung und Arbeitswelt mit sich, die zum einen neue Konfliktfelder eröffnet und zum anderen bestehende Konfliktfelder intensivieren kann. Im Familiensystem sind Anpassungen an die Einschränkungen erforderlich. Die auftretenden Veränderungen betreffen die Rollen in der Familie; eventuelle Tabus werden berührt; finanzielle Auswirkungen müssen bewältigt werden; bei Kindern und Jugendlichen sind Schule oder Ausbildung tangiert. Weitere familiäre Konflikte können sich parallel zur Sorge um das gesundheitliche Wohl im Zuge von Patientenverfügungen, Vorsorgevollmachten, Betreuungswesen und Testamentierung entwickeln oder zutage treten. Im Kontakt mit dem Gesundheitswesen kann es zu Problemen kommen – mit Ärzten, Pflegekräften, Krankenhäusern, Kliniken, Heimen und Hospiz, Krankenkassen, privaten und gesetzlichen Kranken-, Renten- und Pflegeversicherungen, Sozialversicherungsträgern. Eine geistig-kognitive und/oder körperlich bedingte Einschränkung der Leistungsfähigkeit im Beruf hat in der Regel Auswirkungen auf die Gestaltung und Sicherung des Arbeitsplatzes beziehungsweise der materiellen Existenz. Alle diese Bereiche führen zu einem erhöhten Konfliktpotenzial im Kontext einer chronischen Erkrankung allgemein. Mediation kann ein Ansatz sein, Lösungen zu finden und damit die eigene Selbstwirksamkeit zu erleben. Das tut gut.